Du hast die ursprüngliche Szenerie dieses neuen Stücks mal als einen “Stamm von Frauen” beschrieben, der gerade “ein Trainingsprogramm für das Leben nach einem katastropalen Ereignis absolviert oder sich auf ein solches vorbereitet”. Werden wir mit diesem Stück an einen Ort geführt, der als zerstörte Ödnis inszeniert ist?
In dem Stück tritt eine tolle Gruppe von Frauen auf, die ganz verschiedene Hintergründe haben und auf unterschiedliche Erfahrungen zurückgreifen. Tatiana ist als Schauspielerin ausgebildet, Jess ist Sängerin und Cassie Tänzerin. Außerdem macht noch Sarah Thom mit, eine der Gründerinnen von Gob Squad. Wenn man all ihre Sensibilitäten zusammennimmt, kommt sicherlich ein vielfältiger und vielschichtiger performativer Text dabei heraus. Ich bin mir noch nicht sicher, wie der Raum genau aussehen wird, aber wie du schon gesagt hast, werden wir mit der Zeitlichkeit von Desastern flirten, ohne konkret zu sagen, ob diese schon passiert sind oder bald geschehen werden. Also wird es sich manchmal vielleicht wie in einem Bunker oder bachliegenden Land anfühlen, aber das Stück wird sich auch mit den körperlichen Implikationen der ursprünglichen altgriechischen Bedeutung des Worts apokalypsis beschäftigen – also mit einer Entdeckung und Enthüllung. Der Architektur des traditionellen modernen Theaters mit ihren Räumen hinter den Kulissen, ihren Vorhängen und der Vorbühne wohnt etwas inne, dass zu einer Dynamik des Ver- und Enthüllens einlädt. Auf der einen Seite zeigt man etwas und auf der anderen hüllt man es in Geheimnisse. Ich bin mir sicher, dass wir mit dieser Dynamik spielen werden, wenn wir Raum und Handlung gestalten. Du kannst dich also auf jeden Fall auf eine Menge Spielereien einstellen (lacht).
Du inszenierst deine Stücke unter dem Namen Ariel Efraim Ashbel and friends. Einige dieser Freund*innen bringst du, wie du schon sagtest, mit nach Graz, zum Beispiel den israelischen Künstler Eli Petel und einige andere, zum Teil langjährige Kooperationspartner*innen. Wie würdest du deine Rolle als Regisseur in einem so professionellen und kreativen Team beschreiben?
Diese Frage stelle ich mir jedes Mal, wenn wir an einem neuen Stück zu arbeiten beginnen. Die Art und Weise, wie sich meine Stücke entwickeln, führt mich immer weiter und weiter weg von der traditionellen Rolle des Regisseurs, des väterlichen Gurus, des allwissendenden Typs mit den Antworten auf alle Fragen. Momentan sehe ich mich eher als Moderator oder Gastgeber, der das Glück hat, von unglaublichen Künstler*innen umgeben zu sein, die ich bewundere. Ich suche nicht so sehr nach Antworten, sondern stelle eher die Fragen an ein Universum, das wir uns für jedes neue Stück schaffen. Romm und ich geben einen Rahmen vor und laden das Team dazu ein, in diesem Rahmen als Autor*innen zu agieren, ihn als Sprungbrett zu nutzen und soweit zu dehnen und ziehen, wie wir es für nötig halten. Neben den Performer*innen arbeite ich auch wieder mit dem Berliner Musiker*innenduo Hacklander \ Hatam zusammen, die Musik für das Stück schreiben werden. Wir arbeiten schon seit ein paar Jahren zusammen und unsere bereichernde Zusammenarbeit bringt immer wieder neue Dinge hervor. Colin Hacklander und Farahnaz Hatam gehen mit Sound und Musik auf eine ähnliche Weise um wie ich mit dem Theaterapparat. Sie nähern sich Sound phänomenologisch, nehmen ihn auseinander, dekonstruieren ihn und setzen ihn so wieder zusammen, dass sie immer wieder neue kompositorische Möglichkeiten entdecken, die dann oft auch zu dramaturgischen Entscheidungen führen. Mit Eli ist es anders, weil wir jetzt zum ersten Mal zusammenarbeiten. Er ist ein großartiger Künstler und jemand, den ich schon bewundert habe, als ich jung war und gerade anfing, mich durch die Kunstwelt zu bewegen. Deshalb freue ich mich sehr, dass er jetzt auch mit dabei ist. Außerdem hat er noch nie an einem Bühnenstück gearbeitet, es ist also etwas ganz Besonderes. Wir sind befreundet, also führen wir schon seit Jahren viele Gespräche. Ich wusste, dass sich der richtige Zeitpunkt für eine Zusammenarbeit finden würde und bin sehr glücklich, dass es jetzt soweit ist. Während sich dieser Prozess entfaltet, fallen wir intuitiv in unsere Rollen und finden heraus, wie wir zusammen etwas komponieren können. Uns war von Anfang an klar, dass Eli viel mehr ist als ein Bühnenbildner. Er ist ein Partner, der die visuelle Artikulation des Stücks und alles, was ich damit umsetzen möchte, versteht. Auch Joseph Wegmann, der für das Licht verantwortlich ist, ist ein enger Freund von mir. Weil ich auch aus dem Bereich der Beleuchtung komme, entstehen viele Ideen für Szenen aus halb-technischen Gesprächen über Dinge, die wir ausprobieren wollen.
Inmitten all dieser Ideen, Tendenzen und Pläne gleiche in dem Typ, der hilft, den Straßenverkehr zu regeln und in eine Richtung zu führen – ihn im wörtlichen Sinne zu lenken. Während ich also als Zirkusdirektor in der Manege stehe, versuche ich eigentlich hauptsächlich, ein Gespräch mit meinen Freund*inne zu führen und herauszufinden, wohin uns unsere Praxis bringt. Eigentlich kann ich diesen Diven nämlich ohnehin nicht sagen, was sie zu tun haben.
Zuerst veröffentlicht im Vorherbst Magazine, 12.8.19
Das Interview wurde geführt von Dominik Müller / steirischer herbst
Deutsche Übersetzung von Mieke Woelky