“Ich gehe raus!” (“Я выхожу!”) schrieb Raman Bandarenka in den Nachbarschafts-Chat, bevor er seine Wohnung am 12. November verließ. Er war einer der Anwohner des “Platzes des Wandels”, einem Minsker Innenhof zwischen Plattenbauten, der sich zu einem der Hotspots der belarusischen Protestbewegung entwickelt hatte und wollte sehen, warum maskierte sogenannte “Sicherheitskräfte” Symbole des Widerstands gegen das Regime vom Platz entfernten. Nachdem er brutal zusammengeschlagen und zur Polizeiwache gebracht wurde, erlag der 31-jährige seinen schweren Verletzungen noch am gleichen Abend im Krankenhaus. Tausende nahmen am 20. November mit einem Trauerzug in Minsk Abschied von Bandarenka, und “Я выхожу” wurde mittlerweile zum weit verbreiteten Protestslogan während der anhaltenden Demonstrationen in Belarus.
Die Proteste gegen die unrechtmäßigen Machthaber:innen richten sich nicht nur gegen den Autoritarismus im eigenen Land, sondern sind Teil einer weltweiten Bewegung für einen neuen Begriff von Gemeinschaft und Solidarität in der Zivilgesellschaft. So betont Olga Shparaga, Philosophin aus Minsk und derzeit im Exil in Vilnius: “Ich wünsche mir, dass wir die solidarische Energie nicht zerstreuen, sondern neue Möglichkeiten, Kanäle, Vernetzungen finden, um gegen Lukaschenko und den Autoritarismus zu kämpfen.”
Am 13. Januar findet mit einer Online-Diskussion zu den aktuellen Ereignissen in Belarus und deren historischen Bezügen zu den politischen Umbrüchen nach 1989 die Pilotveranstaltung “Eure Vergangenheit ist unsere Zukunft?” zum Programmschwerpunkt “‘Я выхожу!’ – Berlin trifft Minsk” statt. Das weitere dazu geplante Programm müssen wir wegen des erneuten Lockdowns leider verschieben.
Im Rahmen der Veranstaltung erscheint in Kooperation mit dem HAU Hebbel am Ufer eine neue Ausgabe des Magazins pARTisanka, herausgegeben von Tania Arcimovich. Lesen Sie auf HAU3000 das Editorial und ein Gespräch mit Elena Gapova, Almira Ousmanova, Valeria Korablyova und Felix Ackermann aus pARTisanka No. 35.