Im Juni 2017 organisierten das HAU Hebbel am Ufer und die Kuratorin Barbara Raes ein Projekt, das sich zwischen Künstler*innenresidenz und Forschungskolloquium bewegte und den Themen von Verlust und Ritual gewidmet war. Unter dem Titel “Unacknowledged Loss” teilte Raes über einen Zeitraum von drei Wochen ihre Erfahrungen als Kuratorin und Ritual-Zelebrantin mit einer Reihe Berliner Künstler*innen aus verschiedenen Sparten, die vom HAU eingeladen worden waren. Die Reaktionen sowohl der beteiligten Künstler*innen als auch des Publikums auf die abschließenden Präsentationen waren ausgesprochen positiv. Schon damals entstand der Wunsch nach einer zweiten Auflage des Projekts, sodass das HAU nun für den Juni 2020 eine zweite Auflage mit neuen Künstler*innen angesetzt hatte.
Seit März ist unsere Lebensrealität eine andere geworden, und auch “Unacknowledged Loss” kann nicht in der geplanten Form stattfinden. Allerdings haben die Themen des Projekts gerade unter den gegenwärtigen Umständen an Bedeutung gewonnen und verdienen es, dass ein Raum geschaffen wird, an dem wir uns mit ihnen auseinandersetzen können. Daher haben sich das HAU und Barbara Raes entschlossen, dem Projekt eine neue Form zu geben, in der es trotz allem durchgeführt werden kann. Und auch die neun Künstler*innen, die bereits vor Längerem zur Teilnahme eingeladen wurden, zeigten sich begeistert. Den gesamten Juni über beschäftigen sie sich mit der Frage von Trauer und Abschiedsritualen in der heutigen Zeit und wie an der Schnittstelle von Kunst, Fürsorge und Ritual entsprechende Formen für die Zukunft entstehen können. Sie trafen sich mit Fachleuten und Praktiker*innen, die sich schon lange mit diesen Themen beschäftigen, wie der Architekt Koen Van Synghel, die Heilpraktikerin Franziska Dieterich, die Bestattungsunternehmer*innen Uller und Lea Gscheidel sowie die Künstler*innen Claudia Hill, Jorge Leon und Melih Gençboyaci.
Als Ausgangspunkt der Reise dient das unbehagliche Gefühl angesichts der Tatsache, als Gruppe nicht tatsächlich zusammenkommen zu können. Jede*r Künstler*in ist sich bewusst, dass sich gleichzeitig acht andere Künstler*innen – wie er*sie ebenfalls in Berlin – auf denselben Weg begeben. Doch erst am Ende des Projekts werden sie einander durch das jeweilige Ritual “sehen” können.
Bereits im Verlauf des Arbeitsprozesses werden entstandene Materialien wie Fotos, Texte und Filme als Teil des Programms auf #HAUonline mit dem Publikum geteilt. Die Filme, gefilmt und produziert von Liz Rosenfeld, sind auf Youtube erschienen. Wie schon bei der ersten Auflage des Projekts wird das HAU im Lauf der kommenden Spielzeit eine Dokumentation des Projekts in Buchform herausbringen – hoffentlich eine Gelegenheit, um live mit allen Beteiligten und Interessierten zu feiern!