Als offen queerer Journalist aus der Ukraine beobachtet Maxim Eristavi, wie sich die LGBTIQ*-Communitys vor Ort einen größeren Safe Space schaffen. Gleichzeitig muss er für ganz Osteuropa konstatieren: Die Unterdrückung von LGBTIQ*-Leben wird in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung, weltweiter Migrationswellen und grenzenüberschreitender Hassbewegungen immer komplexer. Er fordert deshalb eine neue Taktik im Kampf um gleiche Rechte: breiter ausgerichtet, international und intersektional.
Wenn ich nur jedes Mal einen Euro bekäme, wenn jemand meinen an vorderster Front ausgefochtenen Kampf für gleiche Bürger*innenrechte mit dem Fortschritt in der westlichen Welt vergleicht und mir versichert, dass es “einfach nur Zeit” braucht.
2015 führte ich ein Interview mit Lettlands Außenminister, dem inspirierenden Edgars Rinkēvičs, der gleichzeitig das erste und einzig offen schwule Mitglied eines Regierungskabinetts im postsowjetischen Raum ist. Doch auch er brachte genau diesen Spruch, als er sagte, dass es “wahrscheinlich noch 20 bis 30 Jahre dauern wird, bis ein Fortschritt sichtbar wird.” Ich erinnere mich, wie ich ihn plötzlich anblaffte: “Ich will aber nicht 30 Jahre warten, ich möchte mein Leben jetzt leben.”
Der Lauf der Geschichte hat gezeigt, dass wir beide falsch lagen: Es wurde besser und es wurde schlechter, und das gleichzeitig.
Trotz einer bis dahin noch nie dagewesenen Sichtbarkeit von LGBTIQ*- und dem Vermächtnis öffentlicher Personen wie Rinkēvičs hat Lettland keinen Schritt in Richtung Gleichberechtigung gemacht und ist sogar im LGBTIQ*-Ranking seitdem kontinuierlich noch weiter abgerutscht. In meinem Heimatland der Ukraine finden öffentliche queere Veranstaltungen mittlerweile jedoch ohne gewalttätige Übergriffe statt und ziehen Tausende an. Als einziger offen queerer Journalist aus dieser Region beobachte ich, wie meine Leute sich langsam einen größeren Safe Space schaffen.