Berlin bleibt! #2

#KeinHausweniger

Werkstatt für die Selbstverwaltung von Berliner Haus- und Kulturprojekten

Als Weiterführung der “Werkstatt zur Enteignung und Vergesellschaftung des Wohnens” sollte im April 2020 erneut eine Werkstatt unter dem Titel “#KeinHausweniger: Werkstatt für die Selbstverwaltung von Berliner Haus- und Kulturprojekten” im HAU stattfinden. Der Mietenwahnsinn betrifft schließlich nicht nur Wohnhäuser, sondern vor allem auch Stadt- Kultur- und Hausprojekte, die zahlreich um ihre Existenz bedroht sind. 

Zentrale Initiativen aus der Kampagne #KeinHausweniger und darüber hinaus wollten über die Bedeutung von solidarischen und selbstverwalteten Orten für bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum, preiswerte Kultur, Schutz vor Diskriminierung und nachbarschaftliche Strukturen diskutieren. Stattdessen gibt es hier die aktuellen Forderungen der Gäste, erneut visualisiert von Yorgos Konstantinou.

Drugstore und Potse

Zwei selbstverwaltete (Jugend-) Zentren aus Berlin-Schöneberg. Das Drugstore existiert seit 1972 und befindet sich seit 2019 im Exil. Aktuell kämpft das Kollektiv für einen möglichst schnellen Einzug in neue Räume, die es bereits gibt. Gegen die Potse, die 1980 gegründet wurde, läuft zur Zeit eine Räumungsklage.

Was sind eure zentralen Forderungen?

Die langfristige Lösung lautet: Selbstverwaltete Räume, in denen wir (Drugstore und Potse) unser gesamtes Angebot der kulturellen Jugendarbeit (Konzerte, Proberäume, Werkstätten) umsetzen können, und die gut erreichbar sind. Unsere kurzfristige Lösung ist: Aussetzen der Räumung der Potse im 2. OG der Potsdamer Str. 180 zeitnahe Fertigstellung der Übergangsräume für die Jugendzentren in der Potsdamer Str. 134-136. Der Vertrag ist schon seit über einem Jahr unterschrieben und noch immer sind Sanierungs- und Umbauarbeiten nicht fertig.

An wen richten sich die Forderungen?

Die Forderungen richten sich an den Bezirk Tempelhof-Schöneberg sowie an das Land Berlin.

Haben sich eure Forderungen aufgrund der aktuellen gesellschaftlichen Situation in der Corona-Pandemie verändert? Wenn, ja warum?

Die Forderungen waren auch vorher schon aktuell. Jetzt haben sie stark an Dringlichkeit gewonnen, da Jugendarbeit und intakte Jugendzentren essentiell sein werden, um diverse Folgen der Corona-Krise abzufedern.

Weitere Informationen: http://www.drugstore-berlin.de/ und https://potse.squat.net/

Lause bleibt!

Ein Wohn-und Arbeitsort für kulturelle und politische Projekte in Berlin-Kreuzberg. 2016 wurde bekannt, dass das Gebäude verkauft werden soll. Bis heute ist dies nicht geschehen.

Was sind eure zentralen Forderungen?

Als Lause beteiligen wir uns am Kampf für eine solidarische Stadtentwicklung: Wir verstehen uns nicht als isoliertes Hausprojekt, sondern unsere Organisierung als Teil des Kampfes für eine Stadt für alle. Wir kämpfen um die Häuser, die als Gewerbe vermietet und damit weitgehend vom Mieter*innenschutz ausgenommen sind. Wir fordern, die Häuser Lausitzer Straße 10 und 11 dauerhaft dem Markt zu entziehen. Wir wollen die Häuser in eine eigene oder gemeinsam ausgewählte Träger*innenschaft überführen. Wir wollen Haus und Hof für politische, soziale und kulturelle Kollaborationen nutzen. Wir wollen als Hausgemeinschaft eine kollektive Mieter*innenauswahl, eine solidarische Mietverteilung und eine Gebäudesanierung, die uns nicht verdrängt.

An wen richten sie sich?

Wir richten unserer Forderungen an die Stadt Berlin und an die Immobilien-Eigentümer*innen.

Haben sich eure Forderungen aufgrund der aktuellen gesellschaftlichen Situation in der Corona-Pandemie verändert? Wenn, ja warum?

Wir sind Künstler*innen und Handwerker*innen, Kleingewerbetreibende vom Graphikdesigner zur Ein-Frau-Booking-Agentur, NGOs und prekär beschäftigte Wissenschaftler*innen, politische Bildner*innen und freie Autor*innen – wir alle verlieren in der aktuellen Situation der Krise unsere Einkünfte. Wir kämpfen dafür, dass wir nicht noch das letzte Produktionsmittel verlieren, dass uns bleibt: das Büro, die Werkstatt, das Atelier. Darum ist unsere minimale Forderung an die Stadt Berlin, aber auch an die Immobilien-Eigentümer*innen dieser Stadt, zumindest unsere räumliche Existenz zu sichern! Hausgemeinschaften wie die Lause sind Laboratorien des Sozialen: gegenseitige Unterstützung beim Zahlen der Mieten und gegenseitige Information sind unsere Antwort auf die Vereinzelung in Quarantäne. Wir reihen uns damit ein in die Kämpfe um Häuser für Alle: Geflüchtete, Wohnungslose, von Räumung Bedrohte. 

Weitere Informationen: 
https://lause10.de/

Liebig34

Ein anarcha-queer-feministisches Hausprojekt in Berlin-Friedrichshain, das seit 1990 besetzt ist. Aktuell läuft gegen das Projekt eine Räumungsklage.

Was sind eure zentralen Forderungen?

Wir fordern die unentgeltliche Übergabe des Hauses in der Liebigstraße34 an die Kollektive. Wir schließen uns anderen Kämpfen für eine Stadt von unten an. Dabei kämpfen wir nicht nur für unsere Lebensrealitäten, sondern sind auch Teil einer Mieter*innenbewegung. Wir sind solidarisch mit den Kämpfen der anderen räumungsbedrohten Projekte.

An wen richten sie sich?

An Verbündete im Kampf gegen Patriarchat, Kapitalismus und Rassismus, um außerparlamentarischen Druck zu erhöhen. Wir richten uns nicht an Senat oder Eigentümer. Unsere Erfahrungen zeigen, dass diese Akteure innerhalb der kapitalistischen Logik durch Verdrängung Vorteile für sich generieren. Diese Logik durchbrechen wir.

Haben sich eure Forderungen aufgrund der aktuellen gesellschaftlichen Situation in der  Corona-Pandemie verändert? Wenn, ja warum?

Die Corona-Krise zeigt, dass wir gegen Kapitalismus kämpfen müssen. Es ist notwendig neue Antworten auf die Zuspitzung der Verhältnisse und gegen den Ausverkauf der Stadt zu finden, z.B. durch Mietstreiks und Besetzungen.

Weitere Informationen: 
www.liebig34.blogsport.de

Moviemento Kino

Das Moviemento wurde 1907 gegründet und ist damit eines der ältesten Kinos in Deutschland. Die Betreiber*innen möchten nach angekündigtem Verkauf die Räumlichkeiten selbst erwerben, um den Kulturort in Berlin-Kreuzberg so erhalten zu können.

Was sind eure zentralen Forderungen?
Wir freuen uns sehr, dass unsere #MoviementoHero-Crowdfundingkampagne im letzten Jahr erfolgreich war, zur Zeit sind wir in Gesprächen mit dem Hauseigentümer und sind sind eigentlich optimistisch, daß das Moviemento eine Zukunft hat. Aber jetzt mit der Corona-Krise hat sich unsere Situation verändert. Der HDF (Hauptverband der deutschen Filmtheater) hat bereits konkrete Zahlen genannt. Danach ist aufgrund der Corona-Pandemie mit einem Wegfall von knapp 40 Mio. Kinobesuchern in diesem Jahr zu rechnen. Während die Erlösstruktur eines Kinobetriebes direkt an das Besucheraufkommen gekoppelt ist, bleibt die Kostenstruktur davon größtenteils unberührt. Der HdF fordert darum einen Stabilisierungsfonds, der die Betriebskosten der Kinos mit 4,62 Euro pro fehlenden Besucher direkt bezuschusst. Es geht ganz einfach um das Überleben jedes einzelnen Kinos. Und Arthouse-Kinos sind aufgrund ihrer häufig eher kulturellen als gewinnorientierten Ausrichtung am stärksten gefährdet.

An wen richten sie sich?

An Bund und Länder.

Haben sich eure Forderungen aufgrund der aktuellen gesellschaftlichen Situation in der Corona-Pandemie verändert? Wenn, ja warum?

Die meisten Kulturorte und praktisch alle Kinos haben zur Zeit gar keine Einnahmen, die Folgen der aktuellen Kreativpause werden nach Wiedereröffnung in allen kulturellen Einrichtungen bis weit ins nächste Jahr zu existenzbedrohenden Umsatzeinbußen führen. Deswegen brauchen wir jetzt massiv staatliche Unterstützung auch über die Pause hinaus. Kinos, Theater und andere kulturelle Einrichtungen haben einen Vorlauf, der schon beim Drehbuch beginnt, deswegen werden sich die verschobenen Drehs und Filmstarts im Kino später empfindlich bemerkbar machen. Das Publikum braucht uns und will uns: Auf startnext.com/fortsetzungfolgt haben dies schon unzählige Menschen durch ihre Unterstützung gezeigt.

Weitere Informationen:
www.moviemento.de

Bucht für Alle

Die Volksinitiative Bucht für Alle hat im letzten Jahr 35.000 Unterschriften für einen alternativen Bebauungsplan für das Ostkreuz / die Rummelsburger Bucht in Berlin-Friedrichshain und Berlin-Lichtenberg gesammelt.

Was sind eure zentralen Forderungen? 


Unsere Ziele vor Ort waren:
1. Die Überprüfung und Änderung der Entwicklungsziele im Bereich Rummelsburger Bucht  / Bebauungsplan Ostkreuz
2. Eine Rückkaufinitiative für die betroffenen privatisierten Grundstücke durch die öffentliche Hand
3. Eine umfassende gemeinwohlorientierte Entwicklung durch Erbpachtverträge, Genossenschaften und öffentliche Träger des betreffenden Gebietes
4. Eine Öffnung der Grünanlagen für Alle anstatt eines eigennützigen Public-Private-Partnership-Vertrages (Wasserpark)
5. Die Einbeziehung der vor Ort lebenden Menschen (nicht-sesshafte Menschen, Wagenplatz-Bewohner*innen, Kulturschaffende und Anwohner*innen) in die Neu-Planungen.


Unsere allgemeinen Ziele sind weiterhin:
1. Die Änderung der Liegenschaftspolitik des Senats, hin zu einer gemeinwohlorientierte Entwicklung von Entwicklungsgebieten und weg von der Politik des Ausverkaufs der Stadt

2. Der umfassende Stopp des Verkaufs von landeseigenen Liegenschaften an private Investor*innen3. Schaffung einer stadtweiten Taskforce für den lösungsorientierten Umgang mit derzeitigen und zukünftigen Streitfällen in Stadtentwicklungsprozessen (bei öffentlichem und gemeinwohlorientiertem Interesse)

4. Die Schaffung einer umfassenden Transparenz für Verträge, Gutachten, Abläufe, Entscheidungen und Leerstand in Bezug auf Liegenschaften, Entwicklungsvorhaben und Nutzungsformen in Berlin

 

Veröffentlicht auf HAU3000 am 21.4.2020

An wen richten sie sich?

An den Senat und das Abgeordnetenhaus / Parlament von Berlin sowie die Bezirksparlamente und die jeweilige Bezirkspolitik. An der Umsetzung des Bebauungsplans und dem Umgang mit den betroffenen Bürger*innen müssen sich die Parteien bei der kommenden Wahl messen lassen.

Haben sich eure Forderungen aufgrund der aktuellen gesellschaftlichen Situation in der Corona-Pandemie verändert? Wenn, ja warum?

Nein, sie haben sich durch die Corona-Pandemie nicht verändert. Gerade in Zeiten von weltweiten Krisen muss eine Gesellschaft dazu in der Lage sein, auch auf diejenigen zu hören und diejenigen zu schützen, die in prekären Situationen leben. Tut sie dies nicht, so ist sie im Verhältnis zu ihren demokratischen und sozialen Ansprüchen wenig wert. Die Vertreibung der in Zelten lebenden Menschen auf dem Gelände der Rummelsburger Bucht ist eine soziale Schande und zeugt von politischer Unfähigkeit. Die gleichzeitige Ignoranz der Bundesregierung gegenüber geflüchteten Menschen in Zeltlagern wie Moria auf Lesbos in Griechenland oder bei geflüchtenden Menschen auf dem Mittelmeer ist eine Gräueltat und ein unsäglicher Gewaltakt. Wir fordern daher: Ein weltoffenes Berlin für Alle.