Das Zodiak Free Arts Lab war ein Ort für Experimente mit offenem Resultat. Die Akteur:innen wollten Traditionen überwinden und Bedingungen für Unbekanntes schaffen. In seinem Text ordnet Patrick Hohlweck das Zodiak zeitlich, räumlich und musikalisch ein und schlägt vor, es weniger als spezifisch Berliner oder deutsche Gegenkultur zu verstehen, sondern vielmehr als Teil eines transnationalen Netzwerks von genreübergreifenden Projekten.
In einem 1937 gehaltenen Vortrag zur “Future of Music” plädierte John Cage für die Einrichtung von “Zentren experimenteller Musik”: Dort stünden, so malte Cage es sich aus, “die neuen Materialien, Oszillatoren, Plattenspieler, Generatoren, Mittel zur Verstärkung leiser Klänge, Filmphonographen usw. zur Verfügung. Komponisten, die die Mittel des zwanzigsten Jahrhunderts verwenden, um Musik zu machen. Aufführungen der Resultate. Klangorganisation zu außermusikalischen Zwecken (Theater, Tanz, Radio, Film).” Als dreißig Jahre später das Zodiak Free Arts Lab einen mindestens ähnlichen Impuls in den Räumlichkeiten am Halleschen Ufer aufgriff, war die Zeit in besonderer Weise reif für Experimente dieser Art. Die avantgardistischen Entwürfe der Minimal Music, der Musique concrète oder der frühen elektronischen Musik trafen ebenso wie die Einsätze der “Happenings” oder des Fluxus Ende der 1960er-Jahre auf eine politische Imagination, die häufig genug in Spannung zu den künstlerischen Experimenten stand, aber auf ähnliche Weise an Zäsuren, Diskontinuitäten und Neuheit interessiert war. Dies galt, aus anderen Gründen, besonders für Westdeutschland: Der erst kürzlich geschehene Zivilisationsbruch der Shoah und die personellen Kontinuitäten in praktisch allen Bereichen des Disziplinarapparats des NS-Nachfolgestaats machten nicht nur für die Protagonist:innen dessen, was später Krautrock heißen sollte, radikal antitraditionalistische Entwürfe besonders attraktiv.
Die angloamerikanischen Beat oder Blues, Werkzeuge der Re-education eigenen Rechts, waren nicht nur für viele der Zodiak-Protagonist:innen lange Zeit Medien der Emanzipation gegenüber bundesdeutschen Verkrustungen. Nun, Ende der 1960er-Jahre, erschienen sie vielen vor allem als Ausdruck von Kulturimperialismus. Selbst Jazz in seiner inzwischen etablierten Form war – so der Labelbetreiber Rolf-Ulrich Kaiser – längst auch “in den Konsumprozeß bürgerlicher Kunstverwalter integriert“ und damit zu überwinden. Mit Neuer Musik, angloamerikanischer Popmusik und Jazz sind wohl die wichtigsten musikalischen Impulse für Krautrock benannt; dennoch ist damit noch wenig bis nichts über die Soundhappenings ausgesagt, die im Zodiak stattfanden. Die wenigen Dokumente, die erhalten sind – die Fragmente der Auftritte von Human Being und Guru Guru in Dietmar Buchmanns und Rainer Boldts Kurzfilm “Zodiak” (1969) sowie Human Beings erst 2009 erschienenes Album “Live at the Zodiak” –, lassen keinen Zweifel daran, dass das, was dort geschah, in keinem der musikalischen Einflüsse aufging. Vielmehr ist das Zodiak Schauplatz echter Experimente, ein Zentrum für experimentelle Musik im Sinn Cages: “Experimentell“ als Beschreibung einer Handlung, die nicht scheitern oder gelingen kann, sondern deren Resultate unbekannt sind.
Zeitgenössisch geht damit auch einher, dass gerade diese Namenlosigkeit der Ereignisse und die Unvorhersehbarkeit der Performances im Zodiak – Proben vor Publikum, wie Klaus Schulze sie beschrieb – es erschwerten, eine Sprache für sie zu finden: Tangerine-Dream-Gründer Edgar Froese suchte noch Ende 1968 per Anzeige im britischen “Melody Maker” nach Mitstreiter:innen, “(long haired) to re-form one of the best German experimental blues groups”. Was auf Tangerine Dreams Debüt “Electronic Meditation” von 1970 zu hören ist, hat mit Blues nichts zu tun; vielmehr verrät Froeses behelfsmäßiger Sprachgebrauch, dass die Bewegung auf einem noch unmarkierten musikalischen Terrain eine unsichere ist. Die Akteur:innen gehen von tradierten Formen aus, um sie zu überschreiten: sei es die Qualifikation von Blues als “experimentell”, sei es die Organisationsform als Band, die im Zodiak durch die Einbeziehung des Publikums überschritten wird, oder sei es eine rock- oder jazztypische Instrumentierung, die durch unsachgemäßen Gebrauch oder die Verwendung nicht-musikalischer Gegenstände aufgebrochen wird.