Den folgenden Text schrieb die Autorin Luise Meier im September 2018 im Auftrag des HAU Hebbel am Ufer zur Film- und Plakatkampagne “KEEP IT REAL”, die den neuen fünfjährigen Zyklus der Intendanz von Annemie Vanackere und ihrem Team am HAU ab Sommer 2017 begeleitet.
KEEP IT REAL! Ein reichlich konservativer Aufruf, möchte man meinen. In Zeiten von Fake News, TV-Star-Politik und anonymer Onlinehetze scheint der “Keep it real!” wie ein sehnsuchtsvoller Apell, einen Schritt zurück zu machen, von den Screens wegzutreten und in der “wirklichen” Welt als authentisches Selbst gewichtige Handlungen zu tätigen. Dazu kommt das schöne Wort “keep”, das nicht irgendetwas Neues fordert, sondern auf die Bewahrung eines schon Bestehenden pocht. Bei einer solchen gewohnheitsschmeichelnden Interpretation aber kann es nicht lange bleiben, denn die Avatare, die untrennbar mit dem Slogan an der steinernen Hauswand verklebt und im Videoclip verschnitten sind, beanspruchen dieses Realsein, das von den Betrachter*innen gefordert wird, zuerst einmal für sich selbst.
KEEP IT REAL! War lange der Spruch, der die Hochstapler*innen und Poser*innen traf, diejenigen, die sich ihrer Herkunft, ihrer Defizite, ihrer Schwächen, ihres Andersseins, ihrer Ohnmacht schämten und die bemüht waren, eine Scheinfigur zu performen, eine Maske, die ihren vermeintlichen Ursprung vergessen machen sollte. Nun dreht sich der Slogan in seiner Verschwisterung mit den Avataren plötzlich um. Die Blickrichtung verläuft nicht länger von der realen Welt zum Bildschirm. Der Bildschirm schaut fragend zurück. “