Fast jede*r trägt ein digitales Archiv mit sich. Fotos, Chats, Mails, die keinen Staub ansetzen und nie verfallen. Sie werden auf unzugänglichen Serverfarmen gelagert und von Dritten ausgebeutet. Anders im “Garden of Tangled Data”: Hätte das Festival “Spy on Me #2 – Künstlerische Manöver für die digitale Gegenwart” wie geplant stattgefunden, hätten die Besucher*innen im HAU3 Daten spenden und beobachten können, wie diese sich kreuzen, blühen und zu Humus werden. Nicht für den Profit, sondern für die Schönheit. Hier teilt die Gruppe um Chris Kondek und Christiane Kühl stattdessen das Konzept zu ihrer Arbeit – in einem Manifest für ein alternatives Ökosystem der friedlichen Koexistenz von Technologie, Pflanzen und uns.
In der vergangenen Dekade wurde deutlich, dass die Art und Weise, wie wir uns zur Welt ins Verhältnis setzen, falsch ist. Dass es nicht ‘wir’ und ‘die Welt’ ist – dass wir Teil dieser Welt sind, und, so wie es aussieht, nicht ihr bester. Über Jahrhunderte hat der Mensch sich über die Natur gestellt. Über die anderen Tiere, über die pflanzliche Natur, über die unbelebte Natur, die, wenn überhaupt, als Mobiliar des Planeten wahrgenommen wurde. Ebenso blöde und hoffnungslos narzisstisch ist die Trennung von Natur, Kultur und Technik. Als hätte die Natur keine Techniken entwickelt. Als wäre die Technik uns nicht zweite Natur geworden.
Die anhaltende Behauptung von Differenzen, Hierarchien und kategorialen Unterschieden hat im Wesentlichen zu Zerstörung und Depression geführt. Ein wenig Bewegung ist in die anthropozentrische Blindenanstalt erst durch den Animal Turn, dann durch den Vegetal Turn gekommen; heute werden Tieren Rechte zugesprochen und Pflanzen Erinnerungsvermögen sowie praktische Intelligenz. Aber das reicht nicht. Es gibt mehr Lebensformen, mehr Intelligenzen, mehr Dinge, die wir nicht sehen. Wir müssen auch fragen, was Daten wollen. Der “Garden of Tangled Data” feiert den “Data Turn”.