Das neue Virus breitete sich fast auf der ganzen Welt aus. Da Europa eines seiner Epizentren war, schien die Schließung der Grenzen zunächst eine unvermeidliche Maßnahme zu sein. Und das war sie auch, da sich das besagte Virus weltweit durch die Reisen reicher Menschen, die meisten von ihnen hier ansässig, verbreitete. Doch schon bald wurde sie zur perfekten Ausrede, mehr Formen der Grenzkontrolle und auch der sozialen Verfolgung von Migrant*innen auf dem ganzen Kontinent einzuführen.
Jede*r, der*die eine Grenze ohne offizielle Erlaubnis überquerte, oder jemandem dabei half, wurde sofort als Bioterrorist verfolgt. Die Kontrollpunkte vervielfachten sich, da sie mehr und mehr durch biologische Formen der Kontrolle reguliert wurden.
Das Mitführen eines Personalausweises genügte nicht, um sich in der Stadt fortzubewegen, und ein Reisepass berechtigte nur dann zum Verlassen eines bestimmten Landes, wenn er von der neuen Immunitätskarte mit Informationen über den Gesundheitszustand der Bürger*in und ihrer gesamten Familieneinheit begleitet wurde.
Soziale Isolation – ein den meisten auf dem Kontinent lebenden Migrant*innen bestens bekannter Zustand – war der perfekte Impuls für Frontex, gegen The Community vorzugehen.
Unsere geheimen Unterschlupfe und Standorte wurden, einer nach dem anderen, wieder besetzt; unsere Mitglieder wurden verhaftet, und die von uns unterstützten Gemeinschaften wurden leichte Beute für die dystopischen Investitionen des neuen Globalen Bio-Nekropolitischen Ausnahmezustands.
Als sie mich schnappten, irgendwann 2025, waren nur noch wenige von uns übrig. Unsere Aktivität in Europa drehte sich nur noch um unser Überleben. Frontex kreiste uns ein, besonders nachdem sie Informationen über unsere “telepathische Armee” erhalten hatten. Es gab keine telepathische Armee, denn wir hatten uns nie als Soldat*innen dargestellt, aber das spielte keine Rolle, denn als sie ihre Jagd begannen, wünschten wir uns sehnlichst, es gäbe eine ganze Armee von uns und nicht nur Elsi, Khalil und mich.
***
Ich spürte einen Puls.
Ich versuchte auf einem Steinhaufen einer alten zerstörten Stadtlandschaft zu meditieren, als ich ihn deutlich bemerkte. Er war sehr unbeständig, aber ich konnte ihn fühlen. Wie ich ihn fühlte, kann ich jedoch mit Worten nicht beschreiben. Er war kein Geräusch und es gab kein Bild. Er war eher wie eine Empfindung, oder etwas, was man nur ohne Methode erkennen kann. Etwas, was man wahrnimmt, ohne es begreifen zu können.
Es könnte eine Falle sein, aber genauso gut ein blinder Fleck in ihrem Programm. Ich lief umher und suchte ihn, versuchte herauszufinden, ob er zu diesem speziellen Ort gehörte oder nicht.
Es gab nichts zu finden. Mein Puls wurde weder schwächer noch stärker, Ich kam ihm weder weiter noch näher. Er war einfach da, bei mir.
Ich musste meinen Wunsch darüber nachzudenken kontrollieren. Ich wollte spekulieren. So viele Fragen warteten darauf, gestellt zu werden, so viele Überlegungen und Hypothesen wollten aufgestellt werden.
Aber nachzudenken, während mein Gehirn überwacht wurde, war dumm und riskant. Wenn dieses Ding ein blinder Fleck von ihnen war, würde er, sobald ich über ihn nachdachte, aufgedeckt; und wenn es eine Falle für mich war, würde ich sicherlich mein ganzes Wissen aufgeben, indem ich darüber unter ihren Augen nachdachte.
Etwas an diesem Puls bat mich, geduldig zu sein.
Und so beließ ich ihn unbedacht.
Und im Inneren.
Das Ende als Zwischenspiel, Episode 2: Energiebiegung
Das Ende als Zwischenspiel, Episode 3: Zwischenspiel