In Deutschland kaum bekannt, ist Adam Curtis in Großbritannien eine Ausnahmeerscheinung unter den Dokumentarfilmern, ein Chronist großer Ideen. Wobei das eigentlich nur so halb stimmt. Denn Curtis interessiert nicht die Geschichte der bedeutenden Einfälle von noch bedeutenderen Denkern. Sondern, wie diese Einfälle aus Professorenbüros und Thinktanks in die Machtzentralen von Politik und Militär wandern und da zu den politischen Doktrinen sich selbst als "frei" beschreibender Systeme werden – zu Regierungsinitiativen und zu Wahlkampfstrategien. Und wie diese Ideen immer wieder scheitern, wenn sie auf Macht, Interessen und Unwägbarkeiten treffen.
Mit Filmreihen wie “Pandora's Box“, “The Mayfair Set“, “The Power of Nightmares“, “All Watched Over by Machines of Loving Grace“ und insbesondere auch mit “The Century of the Self“ aus dem Jahr 2002 hat sich Adam Curtis als ein Genealoge unserer Gegenwart und ein Meister der historischen Gegenerzählung etabliert. Zugleich steht er für Traditionen, die derzeit in vielen Ländern auf dem Spiel stehen. Er ist ein öffentlich-rechtlicher Filmemacher, der immer für die BBC gearbeitet hat, und nur auf diese Weise seine großen Rechercheprojekte in Angriff nehmen konnte. Seine Montagen ähneln einer Musik-Improvisation – sie sind Variationen eines Themas, das sich beim Streifzug durch die BBC-Archive entwickelt. Mal ernst, mal verstiegen, mal verspielt. Und immer wieder kurz vor der Albernheit. Seine Vielseitigkeit zeigt sich auch in der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wie der Theatergruppe Punchdrunk oder der Band Massive Attack, mit der er zuletzt mit einer multimediale Performance-Kollaboration auf der Ruhrtriennale 2013 gastierte.
Im Januar 2015 veröffentlichte Adam Curtis seinen neusten Film “Bitter Lake“, den er exklusiv für den iPlayer, die Onlineplattform der BBC, produziert hat. Auf seine unnachahmliche radikale Art und Weise gelingt ihm darin eine neue und emotionale Sichtweise auf die komplexe Geschichte Afghanistans. Anlässlich des Filmscreenings von "Bitter Lake“ spricht der Filmemacher im Rahmen der Gesprächsreihe REVOLVER LIVE! mit Christoph Hochhäusler und Nicolas Wackerbarth über die Unsichtbarkeit moderner Macht. Ausgangspunkt für das Gespräch mit dem Kulturwissenschaftler Mark Fisher ist Curtis’ preisgekrönte BBC-Serie “The Century of the Self” über meinungsmanipulierende Mechanismen von Regierungen und Unternehmen mit den Mitteln der Psychoanalyse.
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