Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall ist die Geschichte der DDR noch nicht erzählt. Die offizielle Erinnerungspolitik reduziert das Leben in diesem verschwundenen Land nach wie vor weitgehend auf Täter*innen und Opfer der Stasi. Es wird Zeit, erneut in die Vergangenheit zu blicken, um die komplexen historischen Prozesse sichtbar zu machen – “die Aufarbeitung der Aufarbeitung der DDR-Geschichte”, wie es der Historiker Karsten Krampitz fordert.
Der Übergang von der DDR-Planwirtschaft in die Marktwirtschaft der BRD ging einher mit einem radikalen Anpassungs- und Umstrukturierungsprozess. Die Gesellschaft der DDR, geprägt durch ein vollkommen anderes Verhältnis zu Eigentum und Mitmenschen, stand plötzlich vor der Aufgabe, sich in Höchstgeschwindigkeit in ein bisher unbekanntes System einzupassen. Dabei wurde der Osten Deutschlands Anfang der 90er Jahre innerhalb kürzester Zeit nahezu de-industrialisiert, eine Entwicklung, die bis heute ihre Auswirkungen hat.
Treffend äußerte sich der Schriftsteller Wolfgang Hilbig im Jahr 1997 rückblickend zum Prozess der Wiedervereinigung: “Vielleicht wird uns eines Tages die Erkenntnis kommen, dass erst jener Beitritt zur Bundesrepublik uns zu den DDR-Bürgern hat werden lassen, die wir nie gewesen sind, jedenfalls nicht, solange wir dazu gezwungen waren.”
Das Programm widmet sich der Frage nach einer Erinnerungspolitik nach 1989, die den kritischen Rückblick auf die gelebten Leben und die damit verbundenen politischen Prozesse einschließt. Neben einer Diskussion mit Karsten Krampitz, Klaus Lederer, Luise Meier und Carola S. Rudnick zur DDR-Erinnerungspolitik widmen sich verschiedene künstlerische Beiträge aus Berlin, Chişinău und Belgrad den gesellschaftlichen Umbrüchen, die eng mit den politischen Ereignissen rund um den Mauerfall verbunden sind. Titelgebend für das Festival ist die Produktion “Drugovi, ja se ni sada ne stidim svoje komunističke prošlosti / Comrades, I Am Not Ashamed of My Communist Past” von Sanja Mitrović.
Mit “little red (play): ‘herstory’”, ihrem Doku-Märchen von Rotkäppchen als sozialistische West-Pionierin, reisen andcompany&Co. zurück in die Zeit der großen Utopien. 30 Jahre nach dem Mauerfall steigen sie noch einmal in die Zeitmaschine, um zu fragen: Was bleibt von der Ideologie, die das 20. Jahrhundert durcheinanderwirbelte?
Nicoleta Esinencu zeigt in “Requiem für Europa”, wie internationale Player ihren Diskurs, ihre Politik und ihre ökonomischen Interessen in Moldawien durchsetzen und wie sich so vor Ort die europäische Idee in ihr Gegenteil verkehrt.
Das Land, in dem die Regisseurin und Schauspielerin Sanja Mitrović und der Schauspieler Vladimir Aleksić aufgewachsen sind, existiert – so wie die DDR – , auch nur noch in der Erinnerung: die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien. Die sogenannte “Schwarze Welle”, eine avantgardistische Filmtradition im Jugoslawien der 60er/70er Jahre, dient in “Comrades, I Am Not Ashamed of My Communist Past” als Ausgangspunkt, um die eigenen Erinnerungen und die Frage, was von den gemeinschaftlichen Werten geblieben ist, ins Zentrum zu stellen.
Noch immer ist nicht alles abschließend besprochen: She She Pop, alle im Westen aufgewachsen, treffen in “Schubladen” auf ihre ost-sozialisierten Gegenspieler*innen. An den großen Weltanschauungen entlang – und ihnen entgegen – wird die Bühne ein Ort für einen utopischen Dialog über die deutsch-deutsche Geschichte der letzten 40 Jahre.
30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer setzen sich Schüler*innen aus drei Berliner Bezirken in den Projekten von “Ihr wart mal da, wir sind jetzt hier!” gemeinsam mit den Künstler*innen Club Real & Elie Gregory, KGI, Luise Meier & Maximilian Feldmann, Annett Gröschner und Florian Keller, die sich 1989 selbst noch in einer Schule oder Ausbildung befanden, mit Aspekten des Mauerfalls und den damit verwobenen Geschichten auseinander.