Gemeinsam mit einem Ensemble von zehn Tänzer:innen entwickelt der Berliner Regisseur Ersan Mondtag am HAU Hebbel am Ufer seine erste choreografische Arbeit und vertieft damit die konzeptuellen und performativen Ansätze von Inszenierungen wie “De Living” (NTGent / HAU 2019). In “Joy of Life” finden sich die Tänzer:innen im Limbus wieder – in einer Welt der Ereignislosigkeit, in der sie weder sterben noch Glückseligkeit erlangen können. Nach dem plötzlichen Stillstand verfallen sie in eine bleierne Müdigkeit, werden heimgesucht von Albträumen. Um nicht ganz die Orientierung zu verlieren, versuchen sie sich mit einfachen Übungen in Form zu halten. Allmählich lernen sie, ihre Bewegungen wieder auf die anderen auszurichten, um als “corps de ballet” den Solist:innen einen fulminanten Auftritt zu verschaffen. Ihre ganze Schönheit entfalten ihre Bewegungen jedoch erst in einer individuellen Suche nach Bedeutung, in der sie manchmal zufällig auf andere treffen und doch gemeinsam eine Choreografie entwickeln. Der Tanz – oder besser das Tanzen – wird zu einer Metapher für unser “in der Welt sein”.
Wir hören die Stimmen von Kindern und Jugendlichen aus dem Off. Aus Zeit und Raum gefallen, bevölkern sie den Limbus. Sie erinnern sich an die Weiten des Meeres und an den Moment, in dem sie begriffen haben, wie sich die Welt um sie herum ausdehnt. Sie erzählen, wie sie sich gegen ihre Eltern auflehnten, die über ihre Leben und vor allem ihre Zukunft bestimmten und von der Reise, die sie angetreten haben, als sie in die Welt auszogen – um zu tanzen. Je mehr sich ihre Schicksale der Gegenwart nähern, desto komplizierter werden die Aufgaben, vor die sie gestellt werden. Die einen organisieren Proteste und begeben sich in einen Hungerstreik, um die CO2-Emissionen zu senken und das Überleben der Menschheit zu sichern. Die anderen sind nicht bereit, die Grenzen anzuerkennen, die ihnen ihre Zukunft versperren und begeben sich auf eine tödliche Reise durch die Wüste und das Mittelmeer. Das fiktionale Gespräch basiert auf Interviews mit den Tänzer:innen des Ensembles, mit Vertreter:innen der Fridays-for-Future-Bewegung und mit Kindern und Jugendlichen, die vom afrikanischen Kontinent über das Mittelmeer nach Europa kamen. Es entsteht das Kaleidoskop einer Zeit im Umbruch, in der Kinder sich auf die Wissenschaft und das geltende Recht berufen, um ihr Überleben zu sichern.