Ein Abend für Jung und Alt – in dieser kollektiven Kunstform treffen professionelle Tänzer:innen auf Amateur:innen mit unterschiedlichem Hintergrund. Es geht nicht darum, die jeweiligen Darbietungen zu beurteilen; vielmehr zeigt sich hier, wie das spezifische kulturelle Repertoire der einzelnen Beteiligten ihr Verlangen nach dem ganz Anderen prägt, das der Tanz verkörpert – nach Freude, Perfektion, Verwandlung und politischer Haltung.
Im Zentrum stehen dieselben Fragen wie schon bei den Stücken “Disabled Theater” mit geistig behinderten Schauspielern und “Cours d’honneur“, in dem eine Gruppe von Zuschauer:innen auf der Bühne platziert wurde: Wie lassen sich Individuen und Körper auf die Bühne bringen, denen diese Form von Repräsentation allzu oft verwehrt bleibt? Wie lassen sich die unterschiedlichen Möglichkeiten dieses einzigartigen Apparats – des Theaters – mit seinen Codes, Orten, Genres und Fachleuten nutzen, um die Grenzen des Darstellbaren zu erweitern? Und wie lässt sich dieser Apparat demokratisieren, so dass jeder mit einer Neigung zu Tanz, Gesang und darstellender Kunst Zugang zu ihm hat?
Jérôme Bels Erfahrungen mit den 'danse et voix'-Workshops für Laien ließen ihn nach einer flexiblen und ortsunabhängigen Struktur suchen, in der sich die verschiedensten Formen entwickeln können. Diese Struktur sollte offen für Laien mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen sein und ihnen die Verwirklichung ihrer Träume in einer von ihnen selbst bestimmten Form erlauben. Diese Überlegungen führten Bel zur theatralen Erfahrung schlechthin: die Gala. Ein festliches Gemeinschaftserlebnis, das von der Silvesterfeier bis zum Laienabend alles umfasst. Mit einem Abend, der diese Form subversiv unterläuft, öffnete Jérôme Bel die "Gala" für die verschiedensten Stile und erzählerischen Fragmente – nicht zuletzt um ein Inventar einer Form des Tanzes 'ohne spezifische Qualitäten' zu erschaffen, das all die möglichen Beziehungen zwischen Körper und Stimme in ihrer Einzigartigkeit erfasst. Was bringt uns zum Tanzen? Wie können wir tänzerische Darbietungen betrachten, die fragil und unsicher sein mögen, ohne ins Urteilen zu verfallen?
Das Ergebnis ist eine brüchige, collagierte Gala voller Momente der Reflexion, die einer Galerie lebender Porträts gleicht. “Gala” trägt sein Credo des ‘Wieder Scheitern. Besser Scheitern’ von einem Theater zum nächsten, wie ‘ein Spiegel, der an der Straße entlangspaziert’. “Gala” präsentiert uns nicht nur das Schaffen der Anderen, sondern lässt uns auch unseres eigenen Blickes auf sie gewahr werden.