Der Mensch hat sich laut Freud für den aufrechten Gang “entschieden”. Die Geburt der Kultur sei dieser vertikalen Position zu verdanken. Was passiert aber, wenn der Mensch diese Referenz – die Achse des Denkens überhaupt – aufgibt? Was bedeutet es dann zu liegen, zu stehen, zu gehen, zu tanzen, ohne auf den aus dieser Vertikale hervorgehenden (Über-) Blick zurückzugreifen?
Mit dieser Frage untersucht Laurent Chétouane in seiner neuen Arbeit die Möglichkeit eines anderen Verhältnisses zum Körper, zum Anderen, zum Raum und zur Umwelt: eine neue Orientierung für ausgesetzte und fragile Körper, die in ihrer Verletzlichkeit und in Anlehnung an Judith Butlers Konzept der “Vulnerability” den Kern des Menschlichen jenseits stabiler Identitäten erleben.
Drei Tänzer*innen werden im ersten Teil eine “choreografierte Praxis” dieses horizontalen Körpers mit dem Publikum teilen. Stehend befinden sich die Zuschauer*innen inmitten des Geschehens und erfahren die Hauptkoordinaten dieses Tanzes: den Boden, das Hören, das Fallen. Im zweiten Teil erproben die von Bachs “Partita Nr. 1” (h-Moll für Violine solo) inspirierten und begleiteten Körper Konstellationen des Zusammenseins – unter sich und gemeinsam mit dem Violinisten. Zwischen Publikum und den Akteur*innen beginnt die utopische Möglichkeit einer “Gemeinschaft der Verletzlichen”.