“Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.” Den Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein im Hinterkopf, hat sich Wojtek Ziemilski, Theaterregisseur und visueller Künstler, an die Arbeit zum Stück mit vier gehörlosen Performer*innen gemacht. Und bald gemerkt, wie wahr dieser Satz ist. Seine eigene Sprache ist ihm zunehmend unzulänglich vorgekommen. Wenn sich Menschen in Gebärdensprache unterhalten, schauen sie sich in die Augen, nicht auf die Hände. Ihre Sprache ist mehr als eine Folge von mechanischen Handzeichen, sie wird mit dem ganzen Körper gesprochen. Insofern erwies sie sich für Ziemilski als ein perfektes dramatisches Medium: als eine dem Tanz nicht unähnliche Art von Performance.
In “Jeden gest” erzählen vier Frauen und Männer ihre persönlichen Geschichten, davon, wie ihre Hörbeeinträchtigung sich auf ihr Leben auswirkt und wie sie damit umgehen. Für alle war es in der Kindheit hart, sich an die Welt der Hörenden anzupassen, die Nicht-Hören ausschließlich als Defizit verstehen. Sie mussten lernen, von den Lippen zu lesen, Gebärdensprache war strikt verboten. So haben sich die Kinder im Geheimen mit ihrer Zeichensprache unterhalten. Gebärdensprache bedeutete für sie Freiheit. Doch “Jeden gest” ist mehr als eine interessante Lektion über die Realität einer Minderheit. Die Performance nimmt das Publikum mit auf eine Reise in eine faszinierende, fremde Sprachwelt. Eine Welt, in der Kommunikation ein Ereignis aus Gestik, Mimik, Rhythmus und Bewegung ist, das gesehen werden muss, um verstanden zu werden.