2012 saßen She She Pop in “Schubladen” Altersgenossinnen aus der DDR gegenüber. Sie verhandelten die systemischen Bedingungen, die ihre sogenannten Identitäten hervorgebracht hatten: zwei starke Ideologien, zwei gegensätzliche Lehren, die in sich selbst stimmig waren. Ihre Selbstbilder allerdings, haben die letzten 10 Jahre gar nicht überlebt und die großen Erzählungen ihrer Herkunft waren vorher schon kaputt. Lässt sich aus dem Ballast der Vergangenheit, den gescheiterten Utopien der Elterngeneration und den Kränkungen und Ungerechtigkeiten der letzten 30 Jahre überhaupt noch eine gemeinsame Zukunft bauen?
Vor dem Hintergrund einer Gegenwart, die von Abschottung und Zerstörung geprägt ist, öffnen She She Pop die Bühne für eine kollektive Suche nach Zukunftsvisionen und was diesen im Weg steht. Als gedankliche Fortsetzung von “Schubladen” haben She She Pop auch für “Mauern” (2022) verschiedene Gäste eingeladen, die mit ihnen die Bühne teilen oder virtuell zugeschaltet sind, Gemeinsam gehen sie auf Zeitreisen zwischen Momenten der Vergangenheit und möglichen Zukünften. Dabei versuchen sie sich in Gemeinschaftsbildung über verschiedene Grenzen hinweg: Sprach-, Körper- und Solidaritäts-Grenzen, Grenzen der Vorstellung und auch knallharte Visum-Grenzen. Die Bühne – bei Schubladen noch eine unkomfortable deutsche Begegnungsstätte – hat sich in einen neoliberalen Co-Working Space gewandelt, eine dunkle Gummizelle, die als Think Tank benutzt wird. Die Reise führt entlang von Mauern, welche die Wahrnehmung und emotionale Prägung der gemeinsamen Realität durchziehen. Ausgehend von einem Trümmerberg aus dokumentarischem Material wird die Bühne mit Hilfe zukunftsbeschwörender Kameratechnik zur Zeitkapsel, in der die Frauen an unbewohnbar gewordene Orte oder an entleerte Szenarien reisen, um über andere Gegenwarten und Zukünfte zu spekulieren oder diese zu bewohnen. Dabei erscheint Fantasie oder die Möglichkeit der Fiktion als kostbares Gut. Eine schwer zu erreichende Dimension, welche nur gemeinsam und unter besonderem Aufwand von Zweifel, Furcht, Zumutung, Humor und Hellsicht überhaupt erst errungen werden kann.
Im Juni 2025 zeigt das HAU erstmalig Schubladen und Mauern gemeinsam im Programm. Beide Arbeiten werden für diese Aufführungen aktualisiert.