Das HAU zeigt zum ersten Mal seit 2010 wieder eine neue Kreation von Alain Platel in Berlin. In tauberbach, eine Kollaboration mit den Münchner Kammerspielen, setzt der belgische Regisseur seine Recherchen zum Konzept des "Bastard-Tanz" fort. Es geht um Bewegungen, die entstehen, wenn Tänzer von der Zivilisation noch unberührte Regionen ihres Bewusstsein erforschen.
Eines Tages kam Alain Platel mit einer CD in Berührung, die den Soundtrack zu einem Videoprojekt von Artur Żmijewski enthält. Der polnische Künstler und ehemalige Leiter der Berlin Biennale hatte einen Chor von tauben Menschen aufgefordert, Bach so zu singen, wie sie sich seine Musik vorstellen. Wer das Ergebnis hört, ohne den Hintergrund seiner Entstehung zu kennen, wird mit einer Mischung aus Betretenheit, Unbehagen und Lachbedürfnis reagieren. Alain Platel entdeckte für sich die Schönheit in dieser Kakophonie. Er ist fasziniert von dem, was gewöhnlicherweise als hässlich, abartig, misstönend empfunden, als Krankheit oder als Syndrom beschrieben wird. Alain Platel will die Menschen in die Lage versetzen, anders zu schauen und zu hören.
“tauberbach” ist kein Stück im konventionellen Sinn. Wohl aber gibt es Charaktere, oder besser: Identitäten, Wesen, Kreaturen. Eine davon hat sogar einen Namen: Estamira. Es ist eine real existierende Frau mit Schizophrenie, die auf einem Müllhaufen in Brasilien lebt. Menschen wie sie haben keine Sprache mehr, aber auf ihre Weise suchen sie Kontrolle und Balance. Elsie de Brauw spielt die von Estamira inspirierte Rolle. Zusammen mit fünf Tänzer und der von Steven Prengels konzipierten Musik wird auf der Bühne ein jenseitiges Universum geschaffen. Kurze Sätze und zuckende Bewegungen stellen vage Bezüge zu einer aus der Zeit gefallenen Zivilisation her. Man mag das als eine pessimistische Sichtweise auf diesen Abend verstehen, aber genauso könnte das alles auch ein Versprechen für die Zukunft sein.
Eingeladen zum Theatertreffen Berlin 2014.
Uraufführung 17. Januar 2014 - Münchner Kammerspiele
Produktion: Münchner Kammerspiele, les ballets C de la B.
In enger Zusammenarbeit mit: NTGent.
Koproduktion: NTGent, Théatre National de Chaillot (Paris), Opéra de Lille, KVS (Brussels), Torinodanza, La Bâtie – Festival de Genève.
Mit Unterstützung der Stadt Gent, Provinz Ostflandern, der Flämischen Regierung.