Am Ende eines schlechten Jahres haben The Chap einen sehr guten Film gedreht. Eine einzigartige, berauschende und vielschichtige Aneignung jener fragwürdigen kulturellen Errungenschaft des Jahres 2020: des Selbstisolationskonzertvideos. Dabei unterzog sich die Band einem autodidaktischen Crashkurs im Synchronisieren und Schneiden von über zehn Stunden Video- und Audiomaterial zu einem aufregenden einstündigen Lo-Fi-Blockbuster auf neun Bildern gleichzeitig. Sie lernten viel über Go-Pro-Kameras und über die Einbindung von Duschen, Küchenspülen und Spaghetti Bolognese in eine dynamische Rock-Performance. Und sie merkten, wie sehr es ihnen gefehlt hatte, Zeit miteinander zu verbringen und gemeinsam aufzutreten.
“The Chap Live At Home” ist eine emotionale Reise, die Popsongs mit Rock-Power, Disco-Moves mit Noise-Improvisationsausbrüchen, Traurigkeit mit Albernheit, Freundschaft mit Trennung, Heimwerken mit toll aussehenden Shorts verbindet.
Nach der Veröffentlichung ihres siebten Albums “Digital Technology” im Januar 2020 absolvierten The Chap eine kurze Tournee durch Deutschland, bevor Sie-wissen-schon-was sie dazu zwang, alle weiteren Tourneen abzusagen. Als sie gefragt wurden, bei der diesjährigen Ausgabe des Contemporary Art Festival of León (FIACmx) Mexiko aufzutreten, nutzten sie die Chance, etwas ganz Besonderes zu schaffen: eine Videoversion des aktuellen Live-Sets, bestehend aus Songs von “Digital Technology” sowie einigen Chap-Klassikern.
Da einige Bandmitglieder in London und andere in Berlin leben, war es unmöglich, sich vor einer Kamera zu treffen. Stattdessen wurde am 5. November 2020 um 21 Uhr zentralmexikanischer Zeit einem kleinen, sozial distanzierten Live-Publikum in León auf neun Bildschirmen geboten, was wie eine Kreuzung aus Videokonferenz und Rockkonzertfilm aussah: Für das Video spielte jede Hälfte der Band mit Go-Pro-Kameras auf den Köpfen die Instrumentalteile, während sie sich gegenseitig filmten. Dann filmten sie sich selbst, wie sie den Gesang zuhause oder im Freien spielten: Keith, Berit und Johannes in Berlin-Neukölln, Panos und Claire in ihrem Haus in London.
So erzählt dieser multiperspektivische Film unser aller merkwürdig domestizierte Geschichte in diesen Tagen- durch die trockene Intensität und Schärfe einer Chap-Performance.