Deutschland 2016, 15 Min.
Deutsch-englische Fassung
28.9.–8.10., täglich geöffnet ab eine Stunde vor Vorstellungsbeginn im HAU1 bis 21 Uhr
„Viele konnten an dem Schweren ganz vorbeileben, für andre aber war es so, daß der Schwierigkeitsgrad des Daseins sich ständig an der Grenze zum Unerträglichen bewegte –“ (Peter Weiss, Notizbücher)
Nürnberg 2016. Ein Laden wird renoviert, eine Verkäuferin macht eine Rauchpause, ein Erdbeerverkäufer steht in einer Parkbucht. Vor 17 Jahren explodierte in dieser Stadt in einer Bar eine Bombe. Vor 16, 15, 11 Jahren wurden ein Blumenhändler, ein Änderungsschneider, ein Imbissbesitzer ermordet. Wie filmt man einen Tatort, so dass er auch einfach Ort sein kann? Ein Ort, von dem aus man auf die Stadt schaut. Ein Ort, der schaut. Ein Ort, der sich schüttelt und wehrt, gegen das Filmteam, gegen die Erinnerung an die Tat.
„Tiefenschärfe“ untersucht, inspiriert von Peter Weiss' Denkbewegungen und Ästhetiken, Orte in Nürnberg, an denen der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund Mord- und Bombenanschläge verübt hat. Es ist eine beobachtende Umkreisung, welche die Tatorte über ihre Umgebung kontextualisiert und ihre heutige Be- und Umnutzung zeigt. Im Off-Kommentar werden alltägliche Szenen und Begegnungen beschrieben und mit Fragmenten von Hintergrundwissen über die Taten sowie über die Parallelwelt der Mordermittlungen verschränkt. Die Orte werden zu Blickpunkten auf eine Stadt, deren Achse immer wieder aus dem Bildrahmen kippt. Ein Ausloten, Irritieren und Verschieben von Realitätsebenen findet statt.