“Drumming” (1998), ein Tanzstück zu einer Komposition für Schlaginstrumente von Steve Reich, gehört zu den faszinierendsten choreografischen Arbeiten von Anne Teresa De Keersmaeker. Der Pionier minimalistischer Klangästhetik hatte bereits für “Fase” (1982), de Keersmaekers erste Produktion überhaupt, die musikalische Vorlage geliefert. Reich komponierte “Drumming” in den
Jahren 1970 bis 1971, kurz nach seiner Rückkehr von einer Studienreise nach Afrika. Die Partitur basiert auf einem einzigen Motiv, das sich vervielfältigt und sich in eine Vielfalt rhythmischer Texturen ausfächert. Neben den Geräuschen von Trommelfellen, Holz und Metall ist der subtile Einsatz menschlicher Stimmen vernehmbar. In dieser Arbeit treibt Reich die Technik, die er bereits in “Piano Phase” eingesetzt hatte, ins Extrem: In einem Prozess der Beschleunigung “unterbrechen” die Musiker fast unmerklich ihr Zusammenspiel. So entsteht eine sich ins Unendliche ausdehnende Interaktion kanonartiger Klangfiguren, die sich gegenseitig reflektieren. In ihrer Choreografie folgt De Keersmaeker dem Geist der kompositorischen Vorlage. Gleichzeitig wird sie um eine entscheidende Komponente erweitert. Wie in der Musik entsteht die Komplexität der Choreografie aus einer einzigen Bewegungseinheit, die in Zeit und Raum bis ins Unendliche variiert wird. Erst wenn die Trommeln verstummen und die Körper zur Ruhe kommen, realisieren die Zuschauer, was sie erlebt haben: einen atemberaubenden Strudel aus Tanz und rhythmischer Energie.
Unter diesem Link finden Sie ein Interview von Jean-Luc Plouvier mit Anne Teresa De Keersmaeker. Das Interview können sie auf Niederländisch, Französisch oder Englisch lesen:
Interview De Keersmaeker/Plouvier
Produktion 1998: Rosas, De Munt / La Monnaie (Brüssel), La Bâtie – Festival de Genève. Koproduktion 2012: De Munt / La Monnaie (Brüssel), Sadler’s Wells (London), Les Théâtres de la Ville de Luxembourg.