Künstlerin: Sanja Iveković / Kuratiert von : Antonia Majaca
Ein Symposium mit: Mikkel Bolt Rasmussen, Boris Buden, Jodi Dean, Ekaterina Degot, Andrew Herscher, Ralf Hoffrogge, Sanja Iveković, Sami Khatib, Gal Kirn, Susanne Leeb, Antonia Majaca, Bojana Pejić, Gerald Raunig, Branimir Stojanović, Thomas Thiele, Milica Tomić, Jelena Vesić, Siegbert Wolf, and Ross Wolfe.
“Memorial For(u)ms – Histories of Possibility”, kuratiert von Antonia Majaca, findet parallel zu der Ausstellung “Ich war, ich bin, ich werde sein!“ von Sanja Iveković in der daadgalerie statt.
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Ausgangspunkt für das zweitägige Symposium mit dem Titel "Memorial For(u)ms – Histories of Possibility" ist Sanja Ivekovićs Vorschlag, das "Revolutionsdenkmal", ein Mahnmal aus dem Jahr 1926, das Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und den Revolutionären des Januaraufstandes von 1919 gewidmet ist, wiederaufzubauen.
Das von der Kommunistischen Partei Deutschlands zum Andenken an die Opfer des Januaraufstandes von 1919 in Auftrag gegebene Mahnmal wurde von Ludwig Mies van der Rohe entworfen, 1926 errichtet und neun Jahre später von den Nazis zerstört. Der 15 Meter lange, 6 Meter hohe und 4 Meter breite, radikal modernistische Bau aus roten Klinkern mit einem Fahnenmast und einem großen Stern aus Stahl, auf dem Hammer und Sichel abgebildet waren, befand sich am Rande des Zentralfriedhofs Friedrichsfelde, im Berliner Bezirk Lichtenberg, wo Liebknecht und Luxemburg beerdigt waren. Seit der Errichtung und noch lange nach der Zerstörung waren das Denkmal und die Grabstätten ein wichtiger Ort für öffentliche Kundgebungen und Aufmärsche verschiedenster linker politischer Kräfte in der Geschichte Berlins.
Im Jahr 2014 regte Sanja Iveković an, das Denkmal als öffentliches Kunstprojekt für die dänische Stadt Aalborg neu zu errichten. Ihr Vorhaben – "Monument to Revolution (after Mies)" (2014) – lehnt sich in seiner Formgebung und symbolischen Ordnung an Mies van der Rohes Denkmal an, während es gleichzeitig verstärkt auf Zusammenarbeit und Partizipation setzt, auf Werte also, die sich auch in dem prozessorientierten Bauverfahren widerspiegeln sollen. Die Errichtung des Denkmals war als langfristiger, kooperativer Prozess angelegt, der verschiedene internationale antifaschistische und antikapitalistische Initiativen, Gruppen, aber auch Einzelpersonen zusammenbringen würde, die in einem ergebnisoffenen Prozess das Baumaterial zusammentragen sollten.
Die daadgalerie zeigt derzeit Ivekovićs Denkmalentwurf im Rahmen einer Ausstellung neuer Werke unter dem Titel "Ich war, ich bin, ich werde sein!" (“I was, I am, I shall be!”). Der Titel der Ausstellung geht auf den letzten Satz in Luxemburgs letztem veröffentlichten Text zurück, ehe sie und Karl Liebknecht verhaftet und ermordet wurden: "'Ordnung herrscht in Berlin!' Ihr stumpfen Schergen! Eure 'Ordnung' ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon 'rasselnd wieder in die Höh' richten' und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!'" Neben dem eigentlichen Entwurf und einer Zeitachse zur Geschichte des Denkmals, seiner Zerstörung und früheren Rekonstruktionsversuchen werden auch einige der Überlegungen, Recherchen und Dokumente gezeigt, die das Projekt weiterhin prägen. Wie so oft in Ivekovićs Werk, vor allem in ihren Projekten für den öffentlichen Raum, soll auch dieses Konzept für die Errichtung des Revolutionsdenkmals auf mehreren Ebenen wirken: nicht nur als reines Architekturvorhaben, sondern auch als Katalysator für eine Debatte zur Konstruktion und Dekonstruktion der öffentlichen Erinnerung an sich.
Das begleitende Symposium "Memorial For(u)ms – Histories of Possibility" geht der Frage nach, ob es überhaupt ästhetische Formen für eine (nicht verwirklichte) Revolution gibt und welche Werte ein in der Gegenwart wiederaufgebautes Denkmal verkörpern könnte. Wenn das eigentliche Gedenken als Prozess der Entpolitisierung verstanden werden soll, der stets zwingend von der politischen Kraft inszeniert wird, die nach dem Blutvergießen einer Revolution an die Macht kommt – welche diskursive und ästhetische Form ist dann einer (gescheiterten /unvollendeten) Revolution angemessen, wenn überhaupt? Wofür stünde heute eine Rekonstruktion des "Revolutionsdenkmals"? Das zweitägige Symposium ist als offenes Forum konzipiert, bei dem es nicht zwangsläufig darum geht, die Idee der Rekonstruktion des Denkmals zu feiern oder Sanja Ivekovićs Projekt an sich zu besprechen. Es ist vielmehr darauf ausgelegt, eine Antwort auf ihren Vorschlag zu entwickeln und Raum für eine kritische Bewertung der schwierigen Beziehung zwischen den Begriffen von 'Revolution' und 'Gedächtnis' zu schaffen. Mit den Stimmen von Künstlern, Historikern, Architektur- und Kunsthistorikern, aber auch Politik- und Kulturtheoretikern und Psychoanalytikern wird die Idee des "Revolutionsdenkmals" an sich kritisch hinterfragt: Ist es ein Widerspruch in sich oder eine revolutionäre Angelegenheit?
Angesichts der Fülle der bei der Herausbildung eines politischen Gedächtnisses greifenden Wechselwirkungen will das Symposium die Schaffung eines Raumes anregen, in dem verschiedenste Akteure – Menschen und Dinge, Objekte und Subjekte – miteinander ins Gespräch kommen und die Fähigkeit erwerben, sich auf produktive Weise gegenseitig zu bestärken und herauszufordern. Zudem regt es an, ein solches Forum zur Neugestaltung des Denkmals als Denkmal an sich zu verstehen – oder auch als eine sich stetig erweiternde Basis für das Denkmal, das es nicht geben kann.
Die erste Diskussionsrunde, Die deutschen Aufstände und das Revolutionsdenkmal, betrachtet das Ereignis im Kontext der konkreten historischen Situation: der Arbeiteraufstände in Deutschland von 1918–1919. Heute werden diese Ereignisse nur ungern, wenn überhaupt, als Revolution bezeichnet. Was nicht überrascht angesichts der Tatsache, dass kein Konsens darüber besteht, ob das, was sich damals ereignete, als Revolution gelten kann. Selbst wenn wir uns darauf verständigen, diese Ereignisse als Revolution zu sehen, bleibt das Unbehagen bei diesem Begriff, wenn man das tragische Scheitern und die verheerenden Langzeitfolgen bedenkt. Denn das Geschehen mündete in die Weimarer Republik, jenen unglücklichen Versuch, eine bürgerliche parlamentarische Demokratie zu etablieren, die den Aufstieg weit rechts stehender Kräfte überhaupt erst ermöglichte und schließlich die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 zur Folge hatte. Nicht danach zu fragen, was aus dem zwanzigsten Jahrhundert geworden wäre, wenn die deutsche Revolution erfolgreich gewesen und die Sozialistische Republik errichtet worden wäre, fällt schwer.
Die zweite Diskussionsrunde verdankt ihren Titel Rosa Luxemburgs berühmter Frage "Reform oder Revolution?" und trägt sie in den Bereich der Denkmals- und Erinnerungspolitik hinein. Sie untersucht Rosa Luxemburgs Position im Narrativ eines linken politischen Gedächtnisses. Darüber hinaus hinterfragt sie das tatsächliche Potenzial einer Erinnerungspolitik – angefangen bei Überlegungen zur Bilderstürmerei bis hin zu einer vollständigen Ablehnung der Erinnerung als einer politischen Kraft. Angesichts der heute sichtbaren neuen außerparlamentarischen und basisdemokratischen linken politischen Konfigurationen und eines Aufschwungs der Bewegungsparteien der neuen Linken, der sich parallel zum dramatischen Aufstieg faschistischer und rechtsextremer Gruppierungen weltweit vollzieht, könnten wir uns irgendwann fragen, welche Art der visuellen Sprache und des kritischen Denkens geeignet wäre, um der Gedächtnispolitik und den Ikonografien, die gemeinsam mit diesen politischen und sozialen Gruppierungen entstehen oder wieder auftauchen, gerecht zu werden.
Die dritte Diskussionsrunde, Re-Politisierung der Erinnerung: Mit oder ohne Rest?, befasst sich mit den Annäherungen zwischen revolutionärem politischen Handeln und Denkmalsästhetik im Verlauf des gesamten zwanzigsten Jahrhunderts. In welcher Beziehung stehen modernistische Abstraktion und utopischer Kommunismus zueinander? Gibt es eine richtige "Form" für kommunistische Revolutionen? Wie könnte eine ästhetische und politische Einmischung aussehen, die imstande wäre, sich der Denkmalshegemonie entgegenzustellen? Diese Runde untersucht – anhand der Werke von Sanja Iveković und der Arbeit der Denkmalsgruppe – die Methodik der Einmischung in herrschende Denkmalspolitiken. Die Diskussion findet zum Teil vor dem Hintergrund der Debatte um die Denkmäler der jugoslawischen abstrakten Moderne und deren bewusster Zerstörung im Zuge der gewaltsamen nationalistischen Kriege der 1990er Jahre statt sowie auch ihrer Transformation hin zu ästhetisch faszinierenden modernen Ruinen, die gemeinhin auch als "kommunistische Geister aus der Zukunft" bekannt sind. Wenn die unterdrückte Vergangenheit wiederkehrt, welche Form nimmt sie dann an?
In der vierten Diskussionsrunde, Prekarität und Aufstandsgedächtnis, verlagern wir den Fokus – ausgehend von der Erfahrung einer neuen Prekarität – auf die Beziehung zwischen revolutionärer linker Politik und der Form von Denkmälern, um die Frage aufzuwerfen, was mit dem politischen Gedächtnis passiert, angesichts der Transformation der fordistischen Fabrik – die oft, wie auch das ursprüngliche "Revolutionsdenkmal", aus Backsteinen errichtet war und selbst Backsteine herstellte – hin zu neuen Formen post-fordistischer kognitiver und emotionaler Arbeit. Hat die Erinnerung an vergangene Revolutionen des zwanzigsten Jahrhunderts, seien sie nun gescheitert oder erfolgreich, irgendein politisches Potenzial in Bezug auf solche Probleme wie den schnellen Wandel der Arbeiterklasse, steigende Arbeitslosenzahlen und prekäre Beschäftigungsverhältnisse? Wenn an die Stelle der Fabrik nunmehr kognitive Arbeit und eine beschleunigte Automatisierung getreten ist, sollte dann der Klassenkampf nicht auch gänzlich neue Formen annehmen? Wenn wir alle unbezahlte Arbeiter in einer Wüste endloser Computer-Berechnungen sind, und wenn unser arbeitender Geist sich auf eine endlose digitale Arena erstrecken muss, ausgebeutet von neuen Machtkonfigurationen aus Staat und Wirtschaft, wie lässt sich dann das Aufstandsgedächtnis kollektivieren und (neu) zusammensetzen?
Programmübersicht Freitag, 3. Juli 2015
Konferenzsprache: Englisch
Einführung
16:00 – 16:30
Ariane Beyn/ Bettina Klein: Welcome
Sanja Iveković: Monument as Public Happiness
Antonia Majaca: By Way of Introduction: Monument To Revolution – A Revolutionary Matter, An Object That Speaks, or a Contradiction in Terms?
I) Die deutschen Aufstände und das Revolutionsdenkmal
16:30 – 19:00
Thomas Thiele: Destruction and after-effects: The “Monument to Revolution” by Mies van der Rohe in the Friedrichsfelde Cemetery (German with English translation)
Ross Wolfe: The Less said, the Better: Modern Architecture between Revolution and Reaction (Online participation)
Siegbert Wolf: Anarchism and Revolution – Gustav Landauer in Munich 1918/19
Ralf Hoffrogge: Revolution from Below: The Revolutionary Shop Stewards 1916-1918
Plenum, moderiert von Gal Kirn
– 30 Minuten Pause –
II) Reform oder Revolution?
19:30 – 21:00
Jodi Dean: Rosa Luxemburg - Symptom or Fetish?
Boris Buden: Communism Is What Memory Cannot Retrieve
Branimir Stojanović: Reform or Revolution? Yes, Please. (Serbian with English Translation)
Plenum, moderiert von Ekaterina Degot
Samstag, 4. Juli 2015
III) Re-Politisierung der Erinnerung: Mit oder ohne Rest?
16:00 – 18:30
Bojana Pejić: Waiting for a Monument (to Revolution). Sanja Iveković at Work: Spatializing Collective Amnesia by Feminist Skepticism
Andrew Hersher: From the Politics of Memory to the Memory of Politics: The Socialist Monument In and After Yugoslavia (Online Participation)
Milica Tomić: How to Remember a Monument That Does not Exist and No Longer Participates in the Circulation of Representation?
Sami Khatib: Wo Es war, werde Ich gewesen sein - Marx, Benjamin, and the "Tradition of the Oppressed"
Plenum moderiert von Susanne Leeb
– 30 Minuten Pause –
IV) Prekarität und Aufstandsgedächtnis
19:00 – 21:00
Mikkel Bolt Rasmussen: Repeating the Past as Insurrectional Memory and Break
Jelena Vesić: Gathering The Splinters Of Emancipatory Politics: Spatialization(s) of Revolution or a Monument to the Monument
Gerald Raunig: A Dividual Line Into the Past
Plenum moderiert von Antonia Majaca
Bild: Sanja Iveković, "Lady of Rosa Luxemburg", installation view (detail), Luxemburg, 2001. (Foto: Christian Mosar)
Eine Produktion des Berliner Künstlerprogramms des DAAD in Zusammenarbeit mit dem HAU Hebbel am Ufer.
Künstlerin: Sanja Iveković / Kuratiert von : Antonia Majaca
Zwei markierte Parkplätze vor dem Haus vorhanden. Zugang zum Parkett über separaten Eingang mit Lift möglich. Barrierefreie Sanitäranlagen vorhanden. Tickets für Rollstuhlfahrer*innen und Begleitpersonen sind über das Ticketingsystem buchbar. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an unser Ticketing- & Service-Team unter +49 (0)30 259004-27 oder per E-Mail an
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