Wir leben in einer Gesellschaft, die sich der Vorstellung des Fortschritts verschrieben hat: einem demokratischen, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt, der uns allen vermeintlich soziale Gerechtigkeit, Wohlstand und ein gutes Leben, eine neue Welt oder sogar einen neuen Planeten bescheren würde. Eben diesen idyllischen Fortschrittsbegriff nimmt Nicoleta Esinencu in ihrer neuen Arbeit ins Visier, indem sie dessen gewaltsame Aspekte offenbart. Die Autorin und Regisseurin zeigt, wie durch den Fortschritt des kapitalistischen Systems unablässig neue Formen der Ausbeutung und der Kolonisation entstehen. Wie der technologische Fortschritt zu Kontrolle und Bestrafung führt, anstatt zu schützen oder zu unterstützen. Wie die Gewalt in den Beziehungen zwischen West und Ost fortschreitet, noch verstärkt durch die Pandemie, in der Arbeitsmigrant:innen den Bedingungen westlicher Gesellschaften ausgesetzt sind. Unterstützt vom hämmernden Sound von Arbeitsgeräten und Maschinenteilen erzählen Nicoleta Esinencu und das Kollektiv spălătorie von Menschen aus Osteuropa, die unter unwürdigen Bedingungen im Westen arbeiten müssen, um zu überleben. Die Performance macht Anleihen an Lehrstück und Agit Prop und schafft unter dem Motto “Enjoy Killjoy” inhaltliche Bezüge zu Theoretiker*innen wie Sara Ahmed.
Das HAU Hebbel am Ufer arbeitet seit 2012 kontinuierlich mit Nicoleta Esinencu und teatru-spălătorie zusammen, zuletzt 2019 bei der Auftragsarbeit und HAU-Produktion “Abolirea familiei / Die Abschaffung der Familie”. Nach zahlreichen Gastspielen kommt die HAU-Auftragsarbeit aus dem Jahr 2022 zurück nach Berlin.