Für diese visuell beeindruckende Filmmontage aus Interviews und Archivmaterial arbeitete Phil Collins mit Lehrer*innen marxistisch-leninistischer Theorie aus der ehemaligen DDR zusammen. Als intensives Portrait einer vergangenen Zeit fragt “marxism today (prologue)” nach der Relevanz marxistischer Ideen für die Gegenwart. Der Film rückt gemeinhin als Verlierer der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen bezeichneten Menschen in den Vordergrund. Unter 60 Personen, die sich auf seinen Aufruf meldeten, wählte Collins für den Film vier Frauen aus, mit denen er sich in ihren Wohnungen und an ihren ehemaligen Arbeitsplätzen über die Veränderungen in ihrem Alltag und ihren Überzeugungen nach 1989 unterhielt. Zwischen die Interviewszenen montiert Collins persönliche Erinnerungen und Archivaufnahmen aus der Hochzeit des sozialistischen Staats, darunter Propagandafilme, Fernsehsendungen und öffentliche Masseninszenierungen. Der vertraute und entschieden empathische Ton des Filmes vermittelt den Eindruck von einer vergangenen und dennoch präsenten Zeit.
Die komplementäre Arbeit “use! value! exchange!” macht den selten sichtbaren Prozess einer historischen Auslöschung sichtbar. Der Film zeigt eine Unterrichtsstunde in marxistischer Ökonomie, gehalten von einer der vier Protagonist*innen aus "marxism today (prologue)", vor einer neuen Studentengeneration an der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Berlin-Karlshorst. Andrea Ferber, die einst an der damals noch unter dem Namen Hochschule für Ökonomie Bruno Leuschner bekannten Eliteuniversität unterrichtete, kehrt an die Institution zurück, um eine aus ihrem ehemaligen Seminarplan stammende Einleitung zu Karl Marx’ "Das Kapital" zu geben. Unterbrochen wird der Vortrag durch Aufnahmen, die Collins bei der Umsetzung des Marx-Engels-Denkmals von der Nähe des Alexanderplatzes an einen unweit gelegenen, doch weniger prominenten Ort gemacht hat. Die kaum bekannte Umsiedlung steht symbolisch für die Retuschierung der Geschichte, doch offenbart sich darin in Verbindung mit Ferbers klugen und prägnanten Darlegungen und der fehlenden Kenntnis der grundlegenden Gedanken von Marx’ ökonomischer Analyse auf Seiten der Student*innen auch das anhaltende Potenzial des Marxismus, das Wesen eines kriselnden Kapitalismus zu erkennen.
"marxism today (prologue)": Produktion: Shady Lane Productions. Eine Auftragsarbeit der Berlin Biennale, Berliner Künstlerprogramm/DAAD, Film and Video Umbrella, Cornerhouse, and Abandon Normal Devices.
"use! value! exchange!": Produktion: Shady Lane Productions. Mit Unterstützung von HAU Hebbel am Ufer.