Tischgespräche

Begehren – Fetisch – Virtuosität

  • Dialog
Deutsch /  Englisch /  120 Min.

Der Marx’sche Begriff “Fetisch“ hat im Laufe der Jahrhunderte nichts an Aktualität eingebüßt; “Begehren” und “Virtuosität” strukturieren unsere Arbeits- und Lebensverhältnisse im diffusen Feld der Angebote, Zwänge und Möglichkeiten des kapitalistischen Systems  sei es im Hinblick auf Geld als “Ware”, auf Geschlechterverhältnisse, auf (strukturelle) Gewalt und Machtbeziehungen, Formen von Freiheit oder ein ersehntes, revolutionär anderes Leben. Im partizipativen Format werden diese Begriffsfelder aus verschiedenen Perspektiven befragt. Die Teilnehmer:innen haben die Möglichkeit, an zwei Gesprächsrunden, angeleitet jeweils von einem Gast, teilzunehmen. 

 

HAU3: STUDIO 2 (2. Stock)

Bini Adamczak: “Begehren und Revolution”

Die Revolution befreit unbekannte Träume, Wünsche, Begierden. Sie ist zugleich Ausdruck der Sehnsucht nach einem besseren Leben. Aber ist jedes Begehren nach Revolution auch ein revolutionäres Begehren? In welchem Verhältnis stehen Utopie und Übergang? Gibt es einen Fetisch der Revolution? Und was verrät uns die postrevolutionäre Depression? 

Bini Adamzcak ist eine politische Autorin, die sich vor allem mit den Themenfeldern Kommunismus und Queerness auseinandersetzt. 2004 erschien ihre Publikation “Kommunismus”, in der sie Kindern erklärt, wie endlich alles anders wird. Die englische Übersetzung löste 2017 bei US-amerikanischen rechten Gruppierungen einen Shitstorm aus. 2017 erschienen zum Jubiläum der Russischen Revolution “Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende” sowie “Der schönste Tag im Leben des Alexander Berkman. Vomwomöglichen Gelingen der Russischen Revolution”. “Ohne den Gang durch die Geschichte der revolutionären Versuche wird es keine revolutionäre Versuchung mehr geben”, schreibt sie in ihrem Buch “Gestern Morgen”. 2016 kuratierte sie im Rahmen des HAU-Festivals “Die Ästhetik des Wiederstands – Peter Weiss 100” die Gesprächsreihe “Die Wiederkehr des europäischen Faschismus”. 


Kevin Rittberger: “Gattung, Liebe und Fetisch bei Karl Marx"

Marx’ Waren-Fetisch ist ein Tisch-Fetisch, der sich, mit theologischen Mucken behaftet, auf den Kopf stellt und als übersinnlich erscheint. Gesetzt aber, wir hätten als Menschen produziert, nicht als Waren-Gläubige: Welches Gattungswesen würde uns entgegen leuchten? 

Kevin Rittberger arbeitet als Autor, Regisseur, Kurator und Journalist. Seine Theaterarbeiten waren unter anderem am Theater Basel, am Maxim Gorki Theater, am Düsseldorfer Schauspielhaus oder am Schauspielhaus Wien zu sehen. 2011 war er für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert. 2015/16 kuratierte er die Lecture und Performancereihe “Community in Progress” amTheater Basel, die lokale und globale Organisationsformen der Partizipation in Gegenwart und Geschichte zum Gegenstand und das Gemeinsame zum künstlerischen Ansatz macht. Zuletzt inszenierte er dort die Uraufführung seines Stücks “Revolution in St. Tropez. Stück für die linke Hand” – über die Anarchistin Emma Goldman. Gemeinsam mit Arno Auer war Rittberger auch an mehreren Performances beteiligt, u.a. “Peak White” im Kunstverein Hannover. 


Raul Zelik: “Plädoyer für einen materialistic turn oder was sich sonst von Marxnochlernen ließe”

Raul Zelik plädiert zum 200. Geburtstag von Karl Marx für einen “materialistic turn” in den Gesellschaftswissenschaften, aber auch für eine grundlegende Aktualisierung des Materialismusbegriffs. 

Raul Zelik ist freier Schriftsteller, Übersetzer und Politikwissenschaftler. Seit den 1980er-Jahren war er in der Internationalismus-Bewegung, antifaschistischen und antirassistischen Gruppen aktiv und lebte in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Lateinamerika und Südeuropa. Sein Schwerpunkt ist die Auseinandersetzung mit sozialen Bewegungen, mit dem Postkapitalismus und der Frage nach globaler Solidarität. Er ist seit Mai 2016 im Parteivorstand der Partei DIE LINKE.  



HAU3: BÜHNE (3. Stock)

Luise Meier: “Die MRX-Maschine – Warum Marx ausbuddeln?”

Mit drei Fragen beschäftigt sich das Tischgespräch: Wie, warum und für wen soll man Marx wieder ausbuddeln – mit dem Pathos der Erben oder der Taktlosigkeit der Grabräuberinnen? Wann, wo und wie greift der Begriff “Proletariat” überhaupt noch? Ist der Kapitalismus die Stütze des Patriarchats oder Motor der Frauenemanzipation? 

Luise Meier arbeitet als freie Autorin und Servicekraft; Studium der Philosophie, Sozial- und Kulturanthropologie und Kulturwissenschaften. Anfang 2018 veröffentlichte sie ihr Buch “MRX Maschine”, die nahelegt, “Marx als Zündschnur zu gebrauchen”. Die MRX-Maschine zapft Feminismus, Postkolonialismus und anderes an, sie scannt die Schauplätze der öffentlichen Selbstvermarktung und die private Fabrik der Körperoptimierung nach Spuren des internalisierten Klassenkampfs, der nach Desintegration und Verschwendung schreit und dabei die polierte Benutzeroberfläche zerkratzt. 


Teresa Koloma Beck: “Begehren und Gewalt”

Marx’ Werk lenkt den Blick auf die Gewaltförmigkeit sozialer Verhältnisse. Vehement erhebt er Einspruch gegen liberale Fortschrittserzählungen, die in der “Zähmung” der Gewalt das zentrale Merkmal moderner Gesellschaften ausmachen. Damit lädt er auch dazu ein,über die Verstrickung von Begehren und Gewalt nachzudenken. In welchem Verhältnis steht das durch die kapitalistische Ordnung erzeugte Begehren zur Gewalt, die wir in der nationalen und internationalen Politik, aber auch im Alltag beobachten können? Inwiefern bringt die Erfahrung dieser Gewalt wiederum selbst Begehren hervor? Diese und ähnliche Fragen will das Tischgespräch in zeitgeschichtlicher und gegenwartsbezogener Perspektive in den Blick nehmen. 

Teresa Koloma Beck ist Professorin für Soziologie der Globalisierung an der Universität der Bundeswehr München. 2010 promovierte sie an der Humboldt-Universität zu Berlin über Veralltäglichungsprozesse im Bürgerkrieg. Sie ist Mitbegründerin der Arbeitsgruppe “Erfahrungen der Globalisierung" am Centre Marc Bloch Berlin und Gründungsmitglied des Arbeitskreises “Gewalt als Problem soziologischer Theorie" in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS). Ihre Arbeiten zu Krieg und Globalisierung führten sie für ethnographische Forschungsaufenthalte nach Angola (2005/06), Mosambik (2010) und Afghanistan (2015). 2016 wurde sie mit dem Thomas-A.-Herz-Preis für qualitative Sozialforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) ausgezeichnet. 


Noam Yuran: “What Is the Commodity?” (Talk in English)

Marx begins “The Capital” with the question “What isthe commodity?” That is a goodenough reason to return to his economic thought today. Economists no longer ask this question. While our everyday goods are becoming more and more mysterious, economists insist that the commodity is a self-evident thing. We will try to see what Marx can teach us on contemporary consumer culture. 

Noam Yuran ist Dozent am College of Academic Management Studies in Israel und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Minerva Humanities Center der Tel Aviv University. In seiner Publikation “What Money Wants: An Economy of Desire” hinterfragt er die Prämisse der Mainstream-Ökonomen, Geld habe nichts mit Begehren zu tun, und entwickelt eine neue, provokante Theorie des Geldes. Mit den Werken von Karl Marx, Thorstein Veblen und Max Weber argumentiert er, dass Geld in erster Linie ein Objekt der Begierde ist. Dabei geht es “What Money Wants” weniger darum, das Verlangen nach Geld als pathologisch zu begreifen, sondern zu zeigen, wie es die ökonomische Realität durchdringt. 
 


HAU3: FOYER (3. Stock)

16:00 – 20:00 (im loop)

Futur II Konjunktiv: “Fluß” (Film)

Die Welt könne anders sein. Man sehe das an den Gebäuden, den Körpern, in Unterführungen, am Fluss. Wenn die Welt im Fluss sei. Das sei eine Nachricht nicht nur aus ideologischen Antiken, sondern aus möglichen Zukünften auch. Manche schicke sie, die Nachricht, die vielleicht von Marx kam, und vielleicht aus der Zukunft, in das uns allmählich vertraut werdende Trier in all seiner Fremdheit einer gegenwärtigen westdeutschen Stadt. Wie fiele ein fremder Blick auf dieses Hier heute, wer sähe und träfe wen? Eine Suche nachdem Sozialen aus einigen Blicken, Gesten, das entstehen könnte. D 2018, 12min.

Team

Kuration: Matthias Naumann, Johannes Wenzel (Futur II Konjunktiv), Anja Quickert (Internationale Heiner Müller Gesellschaft)

Termine

Vergangen
Sa 5.5.2018, 17:00 / HAU3

Credits

Eine Kooperation des HAU Hebbel am Ufer mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Rahmen des Kongresses “MARX200 / Politik - Theorie - Sozialismus”.

Spielorte

HAU3
Tempelhofer Ufer 10, 10963 Berlin

Das HAU3 ist leider nicht barrierefrei. Das Theater ist über das Treppenhaus erreichbar (3. Stock). Aufzugnutzung ist nach Absprache möglich. Damit wir unter diesen Gegebenheiten optimalen Service bieten können, wenden Sie sich bitte an unser Ticketing- & Service-Team unter +49 (0)30 259004-27 oder per Email an tickets@hebbel-am-ufer.de. Rollstuhlfahrer*innen bitten wir, ihren Besuch bis spätestens einen Tag vor der Vorstellung anzumelden. Wir danken für Ihr Verständnis.

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