Von und mit: Fahim Amir, Oxana Timofeeva
Im Rahmen des Festivals “Der Maulwurf macht weiter. Tiere / Politik / Performance”
Die Figur des Maulwurfs ist eine von drei konzeptionellen Tiermetaphern, die sinnbildlich für historische Prozesse stehen. Die anderen zwei sind Hegels Eule der Minerva und Benjamins Engel der Geschichte (oder Angelus Novus), der von Paul Klee als ein tierisch anmutendes Wesen dargestellt wurde. Diese drei Bilder haben ganz offensichtlich etwas gemeinsam: Ihre eigentümliche Form lässt die Frage aufkommen, wie die widersprüchliche Bewegung innerhalb oder hin zur Geschichte verkörpert und dargestellt werden kann. Oxana Timofeeva vergleicht die drei unterschiedlichen Versuche einer Verkörperung und geht dabei der Frage nach, was diese Tiere eigentlich sehen. Welche Sicht haben sie jeweils auf die Welt? Während die Eule der Minerva, die für den Philosophen zum Sinnbild wird, immer zu spät kommt, um etwas zu ändern, und so nur noch nachträglich das interpretieren kann, was bereits geschehen ist, verändert der marxistische 'alte Maulwurf’ den Lauf der Geschichte, ohne ihn vorher zu interpretieren. Warum ist das so? Liegt der Grund dafür nicht darin, dass sie jeweils andere Dinge sehen? Die Eule der Minerva sieht eine Welt, die schon am Ende ist während der Engel der Geschichte auf den Fortschritt in Form von Trümmerhaufen und Ruin blickt. Der Maulwurf wiederum sieht, so könnte man meinen, gar nichts, denn er ist blind. Kann es nicht vielleicht aber trotzdem sein, dass die Wahrheit der Menschheitsgeschichte gerade in der Blindheit dieses kleinen Tieres verborgen liegt?
Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu, heißt es in lokalen Dialekten hinsichtlich ökonomischer Vermögensbildung. Umso mehr gilt dies hinsichtlich der politischen Familienverhältnisse, die sich um die Taube herum vermehren – figurative Konstellationen an Kreuzungspunkten von Herrschaft und Eigensinn. Dazu zählen die “Dawgs” and “Bitches” der African American Popkultur wie auch Walter Benjamins Tiger, der zum Sprung unter freiem Himmel ansetzt, bis hin zum braven Maulwurf marxistischer Prägung.
Während Bergleute zu Hochzeiten des Ruhrgebiets so massenhaft Tauben hielten, dass sie als “fliegende Maulwürfe” bezeichnet wurden, erschienen sie nach Verlust ihrer ökonomischen Funktionen später als schmutzige Engel des Fordismus, um heute – wie bei Donna Haraway – als gurrende Stichwortgeber für das Verständnis von Techno-Biomacht zu Beginn des dritten christlichen Jahrtausend ihre Aufwartung zu machen.
Fahim Amir wird die Choreografien dieses Taubentanzes nachzeichnen und ein politisches Bestiarium in den Blick zu nehmen, in dem Maulwürfe, Hunde, Tiger und Tauben als Geschwister-Figuren taktischer Biopolitik ihre Rolle spielen. Wer Tauben füttert, füttert Maulwürfe.
Von und mit: Fahim Amir, Oxana Timofeeva
Gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.
Zwei markierte Parkplätze vor dem Haus vorhanden. Barrierefreie Sanitäranlagen vorhanden. Es stehen vier Relaxed Seats in der ersten Reihe des HAU2 zur Verfügung. Auch Tickets für Rollstuhlfahrer*innen und Begleitpersonen sind über das Ticketingsystem buchbar. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an unser Ticketing- & Service-Team unter +49 (0)30 259004-27 oder per E-Mail an
tickets@hebbel-am-ufer.de.